Experte zu AfD-Umfrageerfolg: "Ursachen liegen viel, viel tiefer"

Interview

Experte zu AfD-Umfrageerfolg:"Ursachen liegen viel, viel tiefer"

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Die AfD legt in Umfragen als einzige Partei zu. Ihr Erfolg sei nur bedingt mit den Problemen der aktuellen Bundesregierung zu erklären, so Politikwissenschaftler Benjamin Höhne.

Politikwissenschafter Benjamin Höhne ordnet ein.

Die AfD lasse sich nicht einfach "wegregieren", meint Politikwissenschaftler Höhne bei ZDFheute live. Ihre Versprechen habe die Bundesregierung bisher nur bedingt eingelöst.

05.09.2025 | 16:33 min

Als einzige Partei hat die AfD im ZDF-Politbarometer an Zustimmung gewonnen, während die anderen Parteien stagnieren oder Unterstützer verlieren. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) konnte sein Ziel, die Unterstützung für die in Teilen als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD zu halbieren, bislang nicht erreichen. Stattdessen legt die Partei bundesweit zu, in Sachsen-Anhalt würde sie - wenn am Sonntag wirklich Wahl wäre - sogar 39 Prozent erreichen.

Warum die AfD weiter zulegt und welchen Anteil daran die aktuelle Bundesregierung hat, analysiert Politikwissenschaftler Benjamin Höhne bei ZDFheute live.

Sehen Sie das Interview oben in voller Länge oder lesen Sie es unten in Auszügen. Das sagt Höhne ...

... zu den Umfragewerten der AfD im ZDF-Politbarometer

Den Anspruch der Bundesregierung an sich selbst, gut zu regieren, wurde "an vielen Stellen so nicht eingelöst", sagt Höhne mit Blick auf die Geschlossenheit der Bundestagsfraktionen, was sich etwa bei der Wahl der Verfassungsrichter gezeigt habe oder aktuell bei der Debatte um Steuerhöhungen zu beobachten sei.

Das ist natürlich alles Wasser auf die propagandistischen Mühlen der AfD.

Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler

Doch das allein könne den Erfolg der AfD nicht erklären. "Man muss sagen, dass die Ursachen für (...) das Erstarken des Rechtspopulismus (...) viel, viel tiefer liegen", sagt Höhne. Teile der Bevölkerung in Ostdeutschland hätten sich von der Demokratie abgewandt. "Da spielen langwierige Frustrationsprozesse, Verdrossenheit mit der Demokratie eine Rolle."

ZDF-Korrespondent Andreas Postel vom Landesstudio Sachsen-Anhalt ordnet ein.

Bis zur Wahl in Sachsen-Anhalt nächstes Jahr könne noch viel passieren, sagt ZDF-Korrespondent Andreas Postel bei ZDFheute live, trotzdem sollten die Umfragewerte ein Weckruf sein.

05.09.2025 | 5:09 min

Ein wichtiger Punkt sei auch, "dass rechtspopulistische Parteien so etwas wie Spezialisten dafür sind, Ressentiments aus der Bevölkerung in der Gesellschaft freizulegen. Und nicht nur das, sondern sie auch noch weiter zu schüren, sie größer zu machen, sie auszudehnen." Das zeige sich besonders stark gegenüber zugewanderten Menschen.

... zu Maßnahmen, die gegen ein weiteres AfD-Erstarken helfen würden

Gut zu regieren sei ganz wichtig, sagt Höhne, aber eben nicht alles. "Die Menschen sind unzufrieden mit der repräsentativen Demokratie. Sie wirkt für viele sehr weit weg." Deshalb werbe er dafür, die repräsentative Demokratie auszubauen und mehr Möglichkeiten der Teilhabe zu schaffen: Bürgerräte, digitale Partizipationsformen, direkte Demokratie.

Der Moderator des ZDF-Politbarometers, Stefan Leifert.

Im ZDF-Politbarometer hat die AfD ihren bisher höchsten Wert erreicht. Die Arbeit der Bundesregierung wird eher schlecht bewertet, zeigt Stefan Leifert bei ZDFheute live.

05.09.2025 | 5:58 min

Auch die Parteien müssten sich öffnen, sodass Menschen, die ein Interesse an Mitgestaltung haben, auch leicht Wege finden, sich zu beteiligen.

Die Idee, die AfD würde sich selbst "entzaubern", sobald sie an der Macht käme, sieht Höhne hingegen eher kritisch: "Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen." Länder wie Polen, Ungarn, aber auch die USA zeigten, wie rechtspopulistische Kräfte dort vorgehen: Sie versuchen, Gerichte auf Linie zu bringen und die Freiheit von Medien und Wissenschaft einzuschränken.

Stefan Leifert im Expertengespräch.

Im aktuellen ZDF-Politbarometer beurteilt eine Mehrheit die Arbeit der Bundesregierung als eher schlecht. Weiteres zu den Zahlen mit Stefan Leifert.

05.09.2025 | 1:44 min

... zu einem möglichen Verbotsverfahren gegen die AfD

Durch die - derzeit ausgesetzte - Einstufung der Bundes-AfD als rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz habe die Debatte über ein Verbotsverfahren sicherlich erneut an Dynamik gewonnen, so Höhne. Allerdings:

Ich glaube, dass man in Regierungskreisen doch sehr stark darauf gesetzt hat und gehofft hat, dass durch gutes Regieren (...) man der AfD das Wasser abgraben kann.

Benjamin Höhne

Mit Blick auf die Umfragen sehe man nun, dass dieser Versuch bisher nicht sehr erfolgreich war. Der Experte hält es für möglich, dass es dadurch "auch in CDU- und CSU-Kreisen mehr und mehr zu der Einsicht kommt, dass ein Verbotsverfahren initiiert werden sollte".

Die Entscheidung über ein Verbot liege natürlich in Händen des Bundesverfassungsgerichts, erstmal gehe es aber darum, dass die Regierung diese Prüfung ermöglicht.

Das Interview führte Christian Hoch, zusammengefasst hat es Marie Ahlers.

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